Tag der Archive 2024 - Die Anfänge des Rundfunks in Zwickau vor 100 Jahren

veröffentlicht am: 01.03.2024

Das Stadtarchiv Zwickau informiert:

Seit 2008 findet aller zwei Jahre im März der im Jahr 2001 ins Leben gerufene Tag der Archive statt, an welchem sich die Archive den Bürgerinnen und Bürgern mit diversen Veranstaltungen und Veröffentlichungen präsentieren. Auch das Stadtarchiv Zwickau beteiligte sich in der Vergangenheit aktiv daran. Aufgrund der Umzugsvorbereitungen anlässlich des bevorstehenden Umzuges in diesem Jahr von der Lessingstraße in das alte Sparkassengebäude an der Crimmitschauer Straße/Ecke Werdauer Straße, sind die personellen Kapazitäten vollumfänglich gebunden. Um dennoch diesen für das Gedächtnis der Stadt wichtigen Tag nicht verstreichen zu lassen, entschieden sich die Archivmitarbeiter einen Beitrag über eine technische Errungenschaft zu veröffentlichen, die heute den Alltag vieler Menschen begleitet und deren Existenz als selbstverständlich angesehen wird. Gemeint ist der Beginn des Rundfunks in Zwickau im Jahre 1924.

Anfang der 1920er Jahre fasste die voranschreitende Entwicklung des Amateurfunks in den Vereinigten Staaten von Amerika auch in Deutschland Fuß. Der 29.10.1923 ist hierzulande als Tag des Beginns des Unterhaltungsrundfunks zu sehen, als die Funkstunde AG von Berlin aus ihre erste Sendung ausstrahlte. In Zwickau sahen sich am 05.02.1924 55 der neuen Technik gegenüber aufgeschlossene Menschen veranlasst, in den Räumlichkeiten der ehemaligen Ingenieurschule (heute: Finanzamt Zwickau), die Radio-Vereinigung Zwickau e. V. (seit 1926: Funk-Vereinigung Zwickau e. V.) ins Leben zu rufen.[1] Die selbstgestellten Aufgaben sahen laut Satzung vor „die Freunde der Radiotechnik von Zwickau und Umgebung zu vereinigen und ihnen Gelegenheit zu geben, sich theoretische und praktische Kenntnisse auf dem Gebiete der Radiotechnik anzueignen [sowie] die Entwicklung der Radiotechnik zu fördern“[2]. Den überlieferten Mitgliederlisten ist zu entnehmen, dass es sich hierbei vornehmlich um technisch versierte Personen oder Bildungsbürger handelte – gemäß dem Zeitgeist selbstredend nur Männer. So verwundert es nicht, dass mit den ersten beiden Vorsitzenden Dipl. Ing. Richard Melz und Otto Beese ein Studienrat und ein Telegraphendirektor die Geschicke des Vereins lenkten. 

Der unter Beteiligung des Reichspostministeriums 1924 in Berlin aufgestellte Hörfunksender Deutsche Welle GmbH strebte die Schaffung eines Gemeinderundfunks an. Damit sollte in allen Gemeinden des Deutschen Reiches ein möglichst breites Publikum mit den neuesten Informationen versorgt werden. Neben den im Privatbesitz vorhandenen Einzelempfangsanlagen war dahingehend vorgesehen, in öffentlichen Einrichtungen, wie z. B. Schulen, Räume mit den entsprechenden Geräten auszustatten.[3] Dies verlief außerhalb der Bildungseinrichtungen allerdings zunehmend im Sande. 

Für die Radio-Vereinigung Zwickau, die sich selbst als Hilfsorgan der Reichstelegraphenverwaltung sah, war dies der Anlass, um sich bittstellend an die Stadtverwaltung zu wenden. Der Wunsch beinhaltete die kostenfreie Zurverfügungstellung einer Räumlichkeit zur Durchführung von Experimentier- und Bastelkursen. Der Stadtrat entschied am 25.06.1925 dem Gesuch des Vereins zu entsprechen und genehmigte die Nutzung eines Raumes im Stadthaus I (Peter-Breuer-Straße/Ecke Kornmarkt; Kriegsverlust). Die Eröffnungsfeier fand am 02.11.1925 im nahegelegenen Erzgebirgischen Hof (Innere Schneeberger Straße 20) statt. Nunmehr konnten die Mitglieder selbstständig und kostengünstig ihre eigenen Rundfunkgeräte anfertigen.[4] Einem Sonderbericht des Realgymnasiums Zwickau für das Schuljahr 1924/25 ist zu entnehmen, dass sich der Verein ebenfalls der Fortbildung der Schülerschaft annahm. Nachdem eine Eindrahtantenne – ein sogenannter Luftleiter – vom Mittelbau des Realgymnasiums bis zum Landgerichtsgebäude gespannt worden war, wurden von Schülern selbstgebaute Einröhrenempfänger im Physikzimmer ausprobiert. Einige von Ihnen erwarben sich vor dem Prüfungsausschuss der Radio-Vereinigung die Erlaubnis zum weiterführenden Experimentieren.[5]

Mit der Freigabe des Rundfunks für den Privatgebrauch und der zunehmenden Verbreitung der Urform heutiger Radios, stieg der Bedarf an Außenantennen, um überhaupt elektrische Wellen empfangen zu können. Laut Auflistung des Telegraphenamtes wurde ein erster solcher Luftleiter bereits 1918 von der Ingenieurschule über die damalige Bismarckstraße (heute: August-Bebel-Straße) hinweg installiert. Um die eigenmächtige Errichtung von Drahtleitungen nicht außer Kontrolle geraten zu lassen, sah sich auf Empfehlung des Stadtbauamtes der Stadtrat im April 1924 gezwungen, eine Anmeldepflicht zu erlassen.[6] Vor allem die Kreuzung von Starkstromleitungen bzw. der Oberleitungen der Straßenbahn sollte damit unterbunden werden. 

Für Sachsen erfolgten Rundfunksendungen über die in Leipzig ansässige Rundfunkgesellschaft Mitteldeutscher Rundfunk AG. Diese war auf die Zuarbeit von außen angewiesen, um ihr Programm neben der musikalischen Unterhaltung füllen zu können. Zwickau respektive das städtische Verkehrsamt beteiligte sich ab dem Frühjahr 1926 neben dem Melden von Verkehrsmitteilungen auch mit der Nennung von kulturellen Veranstaltungen überregionaler Bedeutung.[7] Im Übrigen war die Nutzung des Rundfunks auch damals schon gebührenpflichtig; die monatlich fälligen zwei Reichsmark wurden vom zuständigen Postamt eingezogen.[8]

Anfang des Jahres 1927 trat im Zwickauer Tageblatt die Frage auf, weshalb es keinen Zwickauer Rundfunksender gebe, der – ähnlich dem Dresdner Sender – das Programm der mitteldeutschen Sendegesellschaft weitertragen würde, schließlich ließe sich damit die Zahl der Rundfunkhörer deutlich steigern. Ein problemloser Empfang mit den einfachen und kostengünstigen Detektorempfängern wäre gegeben. Aufgrund der internationalen Aufteilung des Wellenbandes, war für Zwickau bis dato schlichtweg keine Welle übriggeblieben. Unabhängig davon ließ es sich die hiesige Funk-Vereinigung nicht nehmen, ihre eigenen Versuche umzusetzen. In Lichtentanne ging im August 1927 der erste Kurzwellensender Ek-4aar der Zwickauer in Betrieb. Dieser stellte mit einer erzielten Reichweite von 1400 km Gesprächsverbindungen bis nach Schweden auf.[9] Den Leipziger Großsender ersetzen konnte dieser letztlich allerdings nicht.


[1] StadtA Zwickau, AG 4402, Bl. 2 f.
[2] StadtA Zwickau, R2/142, Bl. 2b.
[3] StadtA Zwickau, R2/121, Bl. 2.
[4] StadtA Zwickau, R2/142, Bl. 1 ff.
[5] Ratsschulbibliothek Zwickau, Schulschriftensammlung.
[6] StadtA Zwickau, EL 9205/1, Bl. 1 ff.
[7] StadtA Zwickau, R2/121, Bl. 23 ff.
[8] StadtA Zwickau, R2/121, B. 17.
[9] StadtA Zwickau, R2/142, Bl. 8 f.

Beispiel für einen professionellen Einröhrenempfänger, 1925
© Stadtarchiv Zwickau
Beispielhafte Zeichnungen zu beantragten Luftleitern/Antennen zwischen Gebäuden, 1926
© Stadtarchiv Zwickau
Stadthaus I, um 1910
© Stadtarchiv Zwickau