Stadtklimauntersuchung (Klimafunktionskarte und Planungshinweiskarte)

Veranlassung und Ziel

Städte, wie auch die Stadt Zwickau, besitzen allein aufgrund ihrer Flächengröße und städtebaulichen Entwicklung ein deutlich modifiziertes Klima im Vergleich zur Umgebung. Die Ausprägung der städtischen Wärmeinsel und die durch Bebauung und Landnutzung stark modifizierte lokale Kaltluftdynamik sind die deutlichsten Differenzierungsmerkmale. Städte sind besonders exponiert gegenüber klimatischen Extremereignissen wie Hitze- und Trockenperioden und stehen durch die klimawandelbedingte Zunahme solcher Ereignisse vor einer besonderen Herausforderung. Ein wesentliches Ziel der Stadtentwicklung muss es daher sein, auch unter einem verstärkten Einfluss des Klimawandels eine (klimatisch) lebenswerte Stadt für ihre Bewohner zu erhalten und zu gestalten. Die Stadtklimauntersuchung zielt darauf ab, Planungsgrundlagen und Entscheidungshilfen zu erarbeiten, welche helfen sollen das städtische Klima der Stadt Zwickau in seiner Gesamtheit zu erfassen und als Belang in der Stadtentwicklung stärker zu verankern.

Für die Stadt Zwickau lag eine Stadtklimauntersuchung (mit Klimatopkarte und Ventilationsplan) aus dem Jahr 1994 vor. Seitdem erfolgten zwischenzeitlich zahlreiche siedlungsstrukturelle Veränderungen, und das Stadtgebiet hat sich insbesondere im Norden erweitert. Darüber hinaus haben die Belange des Klimaschutzes und der Klimaanpassung speziell in der Stadtentwicklung und Umweltplanung an Bedeutung gewonnen. Seit der Novellierung des Baugesetzbuches (BauGB) im Jahr 2004 ist der allgemeine Klimaschutz als Ziel in der Bauleitplanung verankert und die Klimaschutznovelle 2011 hat dies in § 1 Abs. 5 S. 2 BauGB erneut hervorgehoben. Bauleitpläne sollen in der Stadtentwicklung unter anderem den Klimaschutz und die Klimaanpassung berücksichtigen und fördern. In der Klimaanpassungsstrategie für die Stadt Zwickau (2016) wurde die Fortschreibung und Aktualisierung der Stadtklimauntersuchung sowohl als Indikator für die Umsetzung als auch ergänzendes Planungsinstrument dringend empfohlen. Das Thüringer Institut für Nachhaltigkeit und Klimaschutz (ThINK GmbH, Jena) hat im Auftrag des Umweltbüros eine aktualisierte Stadtklimauntersuchung erarbeitet und den Abschlussbericht im Mai 2021 vorgelegt.

Inhalte und Ergebnisse

Mit der aktuell erarbeiteten Klimafunktionskarte und der Planungshinweiskarte gemäß VDI-Richtlinie 3787/1 ist eine in dieser Gesamtheit bisher noch nicht vorliegende, umfassende Bestandsaufnahme und Analyse der klimatisch-lufthygienischen Situation verfügbar. Neben den spezifischen kleinräumigen Ausprägungen innerhalb des Siedlungsgebiets werden ebenso die Wirkungszusammenhänge zwischen Siedlungsbereich und Umland aufgezeigt. 

Die Klimafunktionskarte beschreibt Klimaeigenschaften und Klimaphänomene für die planerische Anwendung in der Maßstabsebene des Flächennutzungsplanes. In der Klimafunktionskarte sind die für das Stadtklima relevanten Klimatope dargestellt und bewertet; im Vordergrund stehen: 

  • die klimatisch-lufthygienische Situation in den Siedlungsräumen (Wärmeinseln),
  • die Kaltluftentstehung auf Grün- und Freiflächen,
  • die übergeordneten und lokalen Luftaustauschbereiche, 
  • die Strömungsrichtung des Luftaustausches,
  • die Verkehrsbereiche mit potentieller hoher Luftschadstoffbelastung.

In der Planungshinweiskarte erfolgt eine Bewertung der aus der Klimafunktionskarte abgeleiteten Empfindlichkeiten gegenüber strukturellen Veränderungen (Nutzungsänderung/-intensivierung) und stellt Handlungsempfehlungen für die Stadtentwicklung und Umweltplanung zur Verfügung. Dabei werden die Siedlungsräume und Freiflächen nach ihrer klimatischen Bedeutung charakterisiert: 

  • die klimatisch-lufthygienische Belastung/Empfindlichkeit der Teilräume
  • die bioklimatische Bedeutung der Grün- und Freiflächen in Bezug auf den Siedlungsraum.

Für die dargestellten Bedeutungsstufen (vier Stufen für Siedlungsflächen und in drei Stufen für Grün- und Freiflächen) werden spezifische Planungshinweise formuliert, so z.B. zur Verbesserung der Belüftung sowie zur Erhöhung/Stärkung der Grünflächenanteile. 

Im Erläuterungsbericht werden die Vorgehensweise der Bearbeitung sowie die einbezogenen Daten und die Bewertungsschritte beschrieben. Er enthält Hinweise zur Interpretation sowie Empfehlungen für die Stadtplanung, z.B. "kleinräumige Maßnahmen zur Verringerung der Wärmebelastung". Diese Anregungen sind in vielfältiger Weise auf die Umsetzung in Einzelprojekten hinsichtlich Lage und Anordnung von Gebäuden, Grünanlagen und bei der Pflanzenverwendung, Gebäudegestaltung (Dachflächen, Fassaden, Wege- und Straßenbau) ausgerichtet. Diese werden ergänzend detailliert in drei Steckbriefen potentieller Bauflächen beispielhaft beschrieben.

In den beiden Karten sind die Analyseergebnisse und die für die Stadt wichtigen Luftaustauschbereiche im räumlichen Zusammenhang dargestellt. Die klimatisch-lufthygienische Situation ist insbesondere in dichter bebauten Siedlungsbereichen (z.B. Innenstadt und Gewerbeflächen) mit großer Aufwärmung und geringer Abkühlung als ungünstig einzustufen. 

Besondere Bedeutung kommt dem Luftaustausch (Kaltluftabfluss, Talwinde, Luftleitbahnen) zu, der bei der Verdünnung und dem Abtransport von Luftschadstoffen eine entscheidende Rolle spielt. Die aus der Nähe hoch frequentierter Straßen abfließenden Luftströme sind dementsprechend als potentiell lufthygienisch belastet gekennzeichnet. 

Anwendung und Umsetzung

Die Lage im Tal der Mulde ist aus klimaökologischer Sicht „Fluch und Segen“ zugleich. Zum einem bilden die Seitentäler und das Haupttal der Mulde Kalt- und Frischluftbahnen mit einem guten nächtlichen Luftaustausch, zum anderen sorgt die Tallage in den stark überwärmten Stadtteilen gerade bei sommerlichen, windschwachen Wetterlagen tagsüber für einen „Stau“ der bodennahen warmen Luftschichten. Zudem kann die nächtliche Kaltluft aufgrund der dichten Bebauung in viele Gebiete der Stadt Zwickau nicht eindringen.

Die bereits bestehenden klimatischen Probleme der Stadt Zwickau durch Hitze und Trockenheit werden sich im Zuge des fortschreitenden Klimawandels deutlich verstärken. Extreme Witterungen wie im Sommerhalbjahr 2018 zählen in wenigen Jahrzehnten als durchschnittlich, noch heißere und trockenere Sommermonate werden mittelfristig keine Ausnahme mehr sein. In den Bereichen der Stadt Zwickau mit einer ausprägten innerstädtischen Wärmeinsel wird es bei zukünftig häufigeren und länger anhaltenden Hitzeperioden zu Situationen mit bedenklichen bioklimatischen Belastungen kommen. Das in den Jahren 2018 und 2019 schon deutlich sichtbar durch Dürre geprägte Stadtgrün wird verstärkt unter Hitze und Trockenheit leiden. Langfristig kann es nur durch eine Intensivierung der Grünpflege (Bewässerung) und eine Anpassung mit trockenheitstoleranten Arten erhalten bleiben. Durch die Trockenheit verliert das Stadtgrün die Funktion der stadtklimatisch bedeutsamen Verdunstungskühlung. Vertrocknete Rasenflächen und Gründächer heizen sich in gleichem Maße auf wie Asphaltflächen. Der Klimawandel wird vor diesem Hintergrund die Konflikte um eine Wasserentnahme zu Bewässerungszwecken weiter anheizen. Innerstädtische Gewässer, wie der Schwanenteich, entziehen der Umgebungsluft Wärme durch Verdunstungskühlung, führen aber bei hohen Wassertemperaturen im Sommer zu einer klimaökologisch bedenklichen nächtlichen Wärmeabgabe. Eine nachhaltige Verbesserung des Stadtklimas der Stadt Zwickau kann in der Regel nur durch lokale Maßnahmen im Bestand und durch den Erhalt oder die Verbesserung der lokalen klimaökologischen Funktion bei geplanter Bebauung erfolgen.

Mit der Klimafunktionskarte und Planungshinweiskarte für die Stadt Zwickau liegen neben einer umfassenden Darstellung der klimatischen Situation auch entsprechend abgeleitete Handlungsempfehlungen sowie eine Darstellung der instrumentellen Umsetzung vor. Diese bilden eine wichtige fachliche Grundlage bei der sachgemäßen Würdigung und Berücksichtigung stadtklimatischer Aspekte in der langfristigen Entwicklungsstrategie der Stadt, die bei Standortentscheidungen, Planungen, Projekten und Bauvorhaben (stadtintern und auch Dritter) herangezogen werden kann. 

Primär sind die Aussagen aufgrund des Zielmaßstabes von M 1:10.000 zunächst auf die gesamtstädtische Ebene (so zum Beispiel den Flächennutzungsplan) ausgerichtet. Für die Behandlung und Berücksichtigung (stadt-)klimatischer Aspekte bei Planungs- und Entscheidungsprozessen sowie des Schutzgutes Klima/Luft im Rahmen von Umweltprüfungen und -bewertungen ist damit eine fundierte und verständlich aufbereitete Arbeitsgrundlage geschaffen. Diese kann auf Grund der laufenden Überarbeitung des Flächennutzungsplanes auch dort Eingang finden. Darüber hinaus liefert der Bericht allgemeine und zur Umsetzung im gesamten Stadtgebiet formulierte Empfehlungen. Diese bilden sich in den informellen und formellen Instrumenten ab und erlauben ebenso die Anwendung in abgegrenzten Baugebieten und Projekten. 

Die Ergebnisse der klimatologischen Untersuchungen sollen eine Entscheidungsgrundlage im planerischen Abwägungsprozess für das Stadtplanungsamt, die Stadtentwicklung sowie die Umweltplanung bezüglich künftiger Handlungsoptionen und Neuausweisungen von Bauflächen im Freiraum aber auch der Innenverdichtung bilden. Somit kann eine starke Berücksichtigung stadtklimatischer Erfordernisse aber auch bei Fragen der Standortwahl, der Baukörperanordnung und bei anderen Fragen im Rahmen der Bauleitplanung sichergestellt werden. Die konsequente Umsetzung der Erkenntnisse des Stadtklimakonzepts kann über rechtsverbindliche Festsetzungen in der Bauleitplanung geschehen. Auch bei Fragen der Ausgestaltung und Entwicklung von Stadtgrün als Verbesserungsmaßnahmen für das Stadtklima bildet das Stadtklimakonzept konkrete Handlungsempfehlungen ab, die durch das Garten- und Friedhofsamt aber auch private Investoren aufgegriffen werden können. 

Die Ergebnisse bedeuten ebenso eine fundierte Informations- und Arbeitsgrundlage, die den im BauGB § 1 Abs. 5 und 6 und § 1a Abs. 5 definierten Vorschriften für die Bauleitplanung und die Umweltprüfung entspricht. Diese beinhalten u.a. besondere Anforderungen an die Gewährleistung einer nachhaltigen Entwicklung und an die Förderung von Klimaschutz und Klimaanpassung bei der Stadtentwicklung. 

Mit dem Beschluss durch den Stadtrat im April 2022 ist das Stadtklimakonzept als sonstige städtebauliche Planung gemäß § 1 (6) Nr. 11 BauGB bei der Aufstellung von Bauleitplänen zu berücksichtigen.

  • Umweltbüro

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