Rede der Oberbürgermeisterin der Stadt Zwickau zum Neujahrsempfang 2020

Es gilt das gesprochene Wort!

Liebe Frau Köhler,
meine Damen und Herren!

als Erstes will ich mich bedanken: Sie alle, die Sie zu unserem Neujahrsempfang gekommen sind, leisten Beiträge, um Zwickau und die Region vielfältig und lebenswert zu machen – in Unternehmen, in Vereinen und Verbänden, in Politik und Verwaltung, in Wirtschaft, Sport, Kultur, in den Kirchgemeinden, im sozialen Sektor, bei den Feuerwehren, in vielen gesellschaftlichen Bereichen, die man gar nicht alle aufzählen kann. Dieses berufliche oder ehrenamtliche Engagement ist aller Ehren wert.

Vielen Dank dafür! Wir alle sind Zwickau!

Dass viel geleistet und etliches erreicht wurde, lässt sich am eben vergangenen Jahr ab-lesen.
Beim letzten Neujahrsempfang sagte ich noch, dass der Theaterkompromiss zum Greifen, aber eben „nur“ zum Greifen nahe ist. Die Stadträte in Plauen und Zwickau stimmten der Verlängerung des Grundlagenvertrages zu, so dass dank der Unterstützung von Freistaat und Kulturraum die Existenz unseres gemeinsamen Theaters gesichert ist. Vor allem aber ist die Zeit vorüber, in der die Theaterbeschäftigten auf Gehalt verzichteten und trotzdem eine tolle Arbeit leisteten.

Zu den Höhepunkten des kommenden Jahres gehört die Wiedereröffnung des Gewand- hauses. Auch wenn es noch einige Hürden zu meistern gilt: Frau Bürgermeisterin Köhler und ihr Team haben den Termin am 2. Oktober fest im Blick!
Vor rund einem Jahr berichtete ich Ihnen ebenfalls, dass in Abstimmung mit Bund und Land eine Lösung für das ehemalige Schocken-Kaufhaus näher rückt. Seit wenigen Tagen sind wir auch hier einen großen Schritt weiter: Zwischen den Erben und der Papenburg AG wurden endlich die Notarverträge zum Eigentumsübergang unterzeichnet.

Ich will Ihnen nicht alles aufzählen, was im vergangenen Jahr realisiert wurde – gerade auch auf der Basis der vom Stadtrat gefassten Beschlüsse, obwohl es hier wirklich viel zu berichten gäbe: Etwa von der Wiedereröffnung des Puppentheaters, vom Bau und der Sanierung von Kinderspielplätzen, von der Erneuerung von Straßen und Straßenabschnitten oder von nun komplett sanierten Oberschulen.

Auch den Gedenkort für die Opfer des NSU im Schwanenteichgelände verbuche ich letztlich auf der Habenseite. Dass uns das Absägen des ersten Baumes fassungslos machte und diese Untat kaum in Worte zu fassen ist, ist klar. Beeindruckt hat mich das Engagement und das couragierte Auftreten, das viele Menschen danach zeigten. Das Niederlegen von Blumen, das Gedenken durch Schüler, Theatermitarbeiter oder die Stadtgesellschaft, die gemeinsame Erklärung vieler Stadträte und viele Wortmeldungen waren gut und wichtig.

Ein ebenso deutliches Zeichen waren die Spenden für die zehn Bäume und den Gedenk- ort, von privaten und kommunalen Unternehmen, von Bürgern aus ganz Deutschland oder eben von den Beamtinnen und Beamten unserer Polizeidirektion Zwickau. Für mich war das ein wichtiges Signal, dass es in Zwickau eine gute Basis gibt, die für Demokratie, Mit- menschlichkeit und ein friedliches Miteinander steht – Danke!

Meine Damen und Herren,
mehr als den Blick zurück möchte ich den Blick nach vorne richten. Es gibt viele Herausforderungen, die bevorstehen, Aufgaben, die es abzuarbeiten gilt, aber auch Chancen, die genutzt werden können.
2020 werden die Sanierungsarbeiten an unseren Schulen und Kitas weitergehen. Der erste Spatenstich für das neue Gerätehaus der Freiwilligen Feuerwehr in Marienthal ist fest eingeplant.

Auch mit der Erneuerung und dem Ausbau von Straßen und mit Hochwasserschutzmaßnahmen geht es weiter. Im historischen Schwanenteichareal stehen mehrere Projekte auf der Agenda, wie beispielsweise die Wiederinbetriebnahme des Schwanenbrunnens oder die Revitalisierung des Areals des ehemaligen Schwanenschlosses. Auch soll ein weiterer Abschnitt der Promenade am Dr.-Friedrichs-Ring neugestaltet werden.

Stichwort Herausforderungen: Als Verwaltung tun wir uns – sozusagen – naturgemäß schwer, Innovationsmotor zu sein. Wichtige Aufgaben müssen entsprechend gesetzlicher Vorgaben zuverlässig erledigt werden, denken Sie an das Pass- und Meldewesen, an das Wohngeld oder an das Standesamt. Dabei gibt es wneig Gestaltungsspielraum. Dennoch haben wir uns gemeinsam mit Partnern auf den Weg gemacht, um uns im Interesse der Attraktivität unseres Standortes zukunftsorientierten Projekten zu widmen: Begonnen wurde mit der Erarbeitung des E-Mobilitätskonzeptes, das voraussichtlich im September vorliegen soll.

Ergänzend dazu ist Zwickau aktiver Teil des Förderprojekts E-Com: Konkret sollen über 100 Ladepunkte für Elektrofahrzeuge in unserer Stadt errichtet werden. Bereits mitten in der Arbeit stecken wir beim Projekt „Zwickauer Energiewende Demonstrieren“, bei dem es darum geht, ob ein Stadtteil zu einem Nullemissionsquartier umgestaltet werden kann.

Neu ist das geförderte Projekt „energetisches Zukunftsquartier Sternenstraße“. Ziel ist, für eine Fläche in Eckersbach ein Entwicklungskonzept zu erarbeiten, um in diesem Areal durch die Verknüpfung von Digitalisierung, All Electric Society und Klimaschutz neue Forschungseinrichtungen und neues Wohnen im Sinne von Smart City zu entwickeln. Die Erstellung des Konzepts könnte nach den noch notwendigen Beschlüssen des Stadtrates und der Ausschreibung im Frühjahr 2020 beginnen.

Hervorzuheben ist in jedem Fall, dass es der Stadt Zwickau mit ihren Partnern immer wieder gelingt, Fördermittel zu akquirieren. Ich glaube, das ist auch ein Zeichen dafür, dass sich unsere Stadt zumindest in diesem Bereich einen guten Namen erarbeitet hat. Sie sehen außerdem, dass die Themen von Mobilität auf der einen Seite und Klima- und Umweltschutz auf der anderen Seite eine wichtige Rolle spielen.

Ein unentbehrlicher Partner ist bei vielen Vorhaben übrigens unsere Westsächsische Hochschu- le. Deren Professoren und Mitstreiter waren und sind gute Impulsgeber, kompetente Fachleute und kollegiale Mitstreiter.

Ein großes Projekt etwas anderer Art ist der Digitalpakt Schulen – ein Projekt, dem sich insbesondere das Dezernat von Herrn Bürgermeister Meyer in Zusammenarbeit mit den Schulen widmet. Wir freuen uns, dass sich Bund und Land dieser Verantwortung stellen und nutzen das Schulträgerbudget von insgesamt rund 3,1 Mio. Euro gerne und mit Überzeugung, auch wenn wir wahrscheinlich mit den zur Verfügung stehenden Mitteln nicht hinkommen werden. Ob und in welcher Höhe etwaige Folge- kosten gefördert werden, steht derzeit in den Sternen – Sie wissen genauso wie ich, dass gerade im Bereich der Informationstechnik Geräte erneuert und betreut werden müssen.

Liebe Bundes- und Landtagsabgeordnete,

es wäre im Interesse der Kommunen und insbesondere der Schülerinnen und Schüler, wenn Bund und Freistaat die Städte in diesem Bereich auch künftig nicht allein lassen.

Liebe Gäste,
wenn Sie all das, was wir gemeinsam in den letzten Jahren erreicht haben und 2020 erreichen wollen und werden, in Summe betrachten, dann können wir durchaus stolz auf das Erreichte sein. Und ich bin der Meinung: Wir können generell stolz auf unser Zwickau sein, bei allen Ecken und Kanten, die unsere Stadt hat, und vielleicht gerade wegen dieser Ecken und Kanten.

In diesem Jahr steht neben dem Internationalen Robert-Schumann-Wettbewerb noch ein weiterer Veranstaltungshöhepunkt bevor.
Sie wissen es, Ende April beginnt die vierte sächsische Landesaustellung: „Boom. 500 Jahre Industriekultur in Sachsen“. Wir freuen uns und sind dankbar, dass die Zentralaus- stellung dieser überaus öffentlichkeitswirksamen Veranstaltung in Zwickau stattfindet und zudem eine der Begleitausstellungen im August Horch Museum. Sie können sich im Foyer darüber informieren oder haben es vielleicht schon getan.

Ich denke, dass Herr Professor Vogel und Herr Spring mir Recht geben, dass bei 500 Jahren Industriekultur in Sachsen Zwickau und Zwickauer das eine oder andere Kapitel maßgeblich mitgeschrieben haben.
Beispielsweise Martin Römer im ausgehenden Mittelalter. Er gehörte zu den bergmännischen Unternehmern in Zwickau, der erfolgreich mit Silber handelte, welches im Erzgebirge gefunden und gefördert wurde. Das Kornhaus oder der Schwanenteichpark sind ihm, seinem Vermögen, aber auch seinem gesellschaftlichen Engagement zu verdanken. Oder beispielsweise die Tuchmachertradition: Das Selbstbewusstsein und der Status dieser Zunft ist noch heute am Gewandhaus ablesbar, dass vor fast 500 Jahren gebaut wur- de. Nicht zu vergessen ist der Steinkohlebergbau. Aus Zwickau, Lugau und Oelsnitz kam ein, vielleicht der wichtigste, Brennstoff für die Industrialisierung einer Region und eines Landes.

Und – natürlich! – der Automobilbau. Bei Horch, Audi, der Auto Union und bei Sachsen- ring wurde eine beeindruckende Geschichte geschrieben, die seit 1990 ihre Fortsetzung durch VW, zahlreiche Zulieferfirmen und die Hochschule findet. Der Volkswagen-Konzern schlägt derzeit ein neues, spektakuläres Kapitel in dieser ohnehin glanzvollen Geschichte des Fahrzeugbaus auf: Herr de Vries, Herr Coers und Herr Bursig stellen sich gemeinsam mit dem Betriebsrat und ihrer Mannschaft der Herausforderung, das Werk komplett in ein E-Mobilitätswerk umzubauen. Wie sagte der VW-Konzernchef, Dr. Herbert Diess, anlässlich des Produktionsstartes des ID.3 am 4. November: „Zwickau ist der traditionsreichste Standort in der deutschen Automobilindustrie. Und mit dem heutigen Tag ist es auch der zukunftsfähigste.“

Bei solchen Traditionen, bei dieser Gegenwart und angesichts der Arbeit an und für die Zukunft können wir stolz und lokalpatriotisch sein. Stolz und Lokalpatriotismus haben dabei nichts Ausgrenzendes und dürfen es nicht haben. Unsere Stadt profitierte in ihrer Geschichte von Austausch und Offenheit.

Der erwähnte Martin Römer hätte sein Vermögen kaum erreicht, wenn er nicht ein Handelsnetz gehabt hätte, dass sich durch Europa bis Venedig zog. Der Vater Robert Schumanns war ebenso ein „Zugereister“ wie der Begründer des Automobilbaus, August Horch. Max Pechstein bezog einen guten Teil seiner Inspiration bis ins Alter hinein aus seiner Südseereise nach Palau in eine vollkommen andere Kultur. Umgekehrt wurde ihm das Leben schwer gemacht von „Deutschen“, die seine Kunst als entartet abstempelten. Mit einem ausgrenzenden Lokalpatriotismus würden die Firmen des verarbeitenden Gewerbes ihre Exportquote von über 46 % nicht erreichen. Bei der Volkswagen Sachsen GmbH arbeiten Männer und Frauen aus insgesamt 23 Nationen. Experten aus aller Welt besuchen das Werk in Zwickau, um die Transformation kennenzulernen und um von den Erfahrungen zu profitieren. An unserer bereits erwähnten WHZ sind Studierende aus knapp 50 Ländern immatrikuliert. Bei unseren Clara- Schumann-Philharmonikern sind Musikerinnen und Musiker aus acht Nationen zu einem Klangkörper vereint.

Und ein letzter, etwas plakativer, aber ernst gemeinter Hinweis: Unser Stadtpatron ist Mauritius und Sie wissen es alle mit dem Blick auf das Rathaus: Er ist ein Schwarzer.

Meine Damen und Herren,

wenn wir über die Gegenwart und über die Zukunft Zwickaus reden und wenn wir über gemein- same Projekte, zukunftsorientierte Vorhaben und Innovationen sprechen, sollten wir folgendes im Auge behalten:

Erstens: Bei allem berechtigten und bedeutsamen Streben nach neuen Lösungen und Projekten: Lassen Sie uns dankbar für das sein, was bereits geschaffen und geleistet wurde. Politische Wende und deutsche Einheit jährten und jähren sich zum 30. Mal. Gehen Sie aufmerksam durch Zwickau, rufen Sie sich Bilder vor Augen, wie unsere Stadt 1990 aussah, vergegenwärtigen Sie sich, welche Be- und Einschränkungen es früher gab. Es ist ein kleines Wunder, dass und in welcher Gesellschaft und Stadt wir leben. Unzufriedenheit mit Bestehendem kann der Anfang sein, um Probleme anzugehen. Unzu- friedenheit kann leider auch der Ausgangspunkt und Grundlage sein, um unberechtigteVorwürfe zu machen oder um sich „Schuldige“ zu suchen, die dann denunziert und verunglimpft werden.

Zweitens: Jeder Einzelne ist wertvoll bei der Gestaltung einer lebendigen Stadtgesellschaft, aber manchmal sollte sich der Einzelne nicht so wichtig nehmen.

Und Drittens: Wir müssen uns über einen Stolz und Lokalpatriotismus Gedanken machen, der sich durch Identifikation, aber auch durch Offenheit, Toleranz und Haltung auszeich- net – jeder für sich und wir alle zusammen, und das Tag für Tag.

Denn: Wir alle sind Zwickau!